Nach 4 Folgen wage ich mal eine 'Halbzeit-Bilanz'
'GREUL' ist ein Hörspiel des WDR - und das sagt eigentlich schon alles über die handwerkliche Umsetzung aus. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich zuletzt eine Produktion dieses Senders schlecht gemacht fand. Inhaltlich sieht das bei dem einen oder anderen Hörspiel anders aus, aber an Buch, Sprecher*innen, Sounds, Musik und Dialogen gab es eigentlich nie etwas zu beanstanden. So auch hier. Es ist einfach ein großes Vergnügen, in die mittelalterliche Welt des Dorfes Quill im Zirnertal einzutauchen.
Zuallererst ist 'GREUL' natürlich ein Horrorkrimi. Geht wirklich das GREUL um, das bisher ins Reich der Schauermärchen gehörte? Oder ist doch ein Mensch der Mörder von Ortrud, der Tochter des Schmieds? Oder ist doch ein Waldtier wie der riesige Bär, der in Folge 4 auftaucht, der Übeltäter? Wir werden als Hörer*innen direkt und ohne Vorwarnung ins Geschehen geworfen, denn Folge 1 beginnt mit der Ermordung Ortruds. Ein Schockmoment, der lange nachhallt.
Während also ein klassicher Gruselstoff abgespult zu werden scheint, bezieht das Hörspiel einen Großteil seines Reizes aus vier Faktoren, die ungewöhnlich originell und gut umgesetzt wurden:
Ich bin restlos begeistert.
'GREUL' ist ein Hörspiel des WDR - und das sagt eigentlich schon alles über die handwerkliche Umsetzung aus. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich zuletzt eine Produktion dieses Senders schlecht gemacht fand. Inhaltlich sieht das bei dem einen oder anderen Hörspiel anders aus, aber an Buch, Sprecher*innen, Sounds, Musik und Dialogen gab es eigentlich nie etwas zu beanstanden. So auch hier. Es ist einfach ein großes Vergnügen, in die mittelalterliche Welt des Dorfes Quill im Zirnertal einzutauchen.
Zuallererst ist 'GREUL' natürlich ein Horrorkrimi. Geht wirklich das GREUL um, das bisher ins Reich der Schauermärchen gehörte? Oder ist doch ein Mensch der Mörder von Ortrud, der Tochter des Schmieds? Oder ist doch ein Waldtier wie der riesige Bär, der in Folge 4 auftaucht, der Übeltäter? Wir werden als Hörer*innen direkt und ohne Vorwarnung ins Geschehen geworfen, denn Folge 1 beginnt mit der Ermordung Ortruds. Ein Schockmoment, der lange nachhallt.
Während also ein klassicher Gruselstoff abgespult zu werden scheint, bezieht das Hörspiel einen Großteil seines Reizes aus vier Faktoren, die ungewöhnlich originell und gut umgesetzt wurden:
- Wir sind zwar Zeugen, wie sich die Figuren verhalten, aber verstehen ihre Motive nicht sofort. Das überaus merkwürdige Gebahren des Abtes in Folge 1 wird zum Beispiel erst in Folge 2 verständlicher, die Zusammenhänge begreifen wir endgültig erst in Folge 3. Das könnte frustrierend für den/die Hörer*in sein, aber aufgrund der exzellenten Figurenzeichnung, lebendigen Dialoge und regelrecht aufwühlenden Szenen bleibt man dennoch dabei. Natürlich hofft man, dass sich auch andere Fragen noch klären, wie z. B. die, ob die Stimmen, die eine der Personen hört, echt sind, also Dämonen am Werk sind, ober ob sie Ausfluss einer psychischen Erkrankung sind. Ein Großteil der Spannung in den ersten vier Folgen resultiert genau aus dieser Unsicherheit, die einen beim Hören nie loslässt. Nichts darf hier als gesicherte Erkenntnis gelten.
- Die Figuren werden permanent mit Fragen konfrontiert, für die es keine klare, moralisch einwandfreie Lösung gibt. Man nehme als Beispiel die Szene, in der die Dorfgemeinschaft darüber debattiert, ob man sich dem aufziehenden Sturm zum Trotz auf die Suche nach der vermissten Ortrud machen soll. Diese Szene wirkt (trotz der ungewohnten, altmodischen Sprache) sehr lebensnah und realistisch. Und man ertappt sich unwillkürlich bei der Frage, wie man sich selbst verhalten würde? Diese moralische Uneindeutigkeit zieht sich durch das gesamte Hörspiel. Selbst das Verhalten des Abts, das wir aus der aufgeklärten Sichtweise des 21. Jahrhunderts vermutlich verabscheuungswürdig finden, hat im Kontext seines Glaubens und seines Wissens durchaus seine Berechtigung. Ein Hörspiel um ein (vermeintliches?) Monster also, in dem es kein klares Gut und Böse gibt.
- Bei genauerer Betrachtung sind die Abläufe nicht beliebig zusammengesetzt, sondern sie entspringen einem Grundkonflikt. Da ist die Abtei oben auf dem Berg - und da ist als Gegenpol das Dorf von 'Heiden' im Tal. Die einen versuchen, die 'Ungläubigen' zu bekehren, die wiederum wünschen den Mönchen die Pest an den Hals und wären sie am liebsten los. Die Handlungsweisen der Protagonisten wären ohne diesen Hintergrund nicht nachvollziehbar und gleichzeitig hebt er 'GREUL' deutlich über die meisten anderen Horror-Hörspiele hinaus.
- Am Rande sei noch der hin und wieder eingestreute Humor erwähnt. Dieser ist zwar selten, aber wenn trifft er auch voll ins Schwarze. Dabei ist es fast egal, ob er sich auf, über oder unter Niveau befindet, denn allein dadurch, dass er so unerwartet kommt, zeigt er Wirkung. Die Szene, in der Ortrud Svinta sagt, was die Mönche wohin stecken z. B. ist sicherlich nicht sonderlich kultiviert, aber allemal für einen Lacher gut.
Ich bin restlos begeistert.
Das lästige an der Realität ist ihre Alternativlosigkeit. (Sarah Bosetti)